Bestsellerregeln oder „Aussagekräftige Speechtags sind toll“, brummelte sie kichernd. [Kolumne: Muffins]

Von Simone Keil

Leser sind doof. Sie brauchen klare Angaben zu den Befindlichkeiten der Romanfiguren, deshalb dürfen diese auf keinen Fall einfach etwas sagen, sie müssen die wörtliche Rede mindestens brummeln, kichern oder kichernd brummeln.

Muffins Kolumne„Noch besser ist es natürlich, man bindet die Handlung in das Gesagte gleich mit ein“, brummelkicherte die Autorin in die Tastatur, während sie ihren Kaffee schlürfte.

„Wenn man als AutorIn nach tagelangem, intensivem Üben schließlich die höchste Stufe der Schreibkunst erreicht hat, dann ist man sogar in der Lage, seine Figuren wörtliche Rede ausführen zu lassen“, warf sie ihren Schreibblock in die Luft!

Toll. Literarische Vielfalt. Toll.

Will man nun sein Œuvre nicht nur für die gegenwärtige Leserschaft, sondern für die Ewigkeit und vor allem in die Bestsellerlisten schreiben, ist es unerlässlich, die Texte möglichst großzügig auszuschmücken. Selbst bei kunstvollstem wörtlichen Handlungsgebrummel, könnte dem einen oder anderen Leser etwas entgehen. Etwa, wie er die Handlung und das Gesagte zu interpretieren hat oder was der Autor denn nun eigentlich überhaupt meinte.

„Deswegen ist es unerlässlich, jedem wichtigen Substantiv mindestens zwei bis vier erklärende, ausschmückende und/oder verniedlichende Adjektive mitzugeben“, erklärte sie mit hoch erhobenem, von der Augustsonne leicht gebräuntem Zeigefinger.

Wie sollte einem Leser auch sonst klargemacht werden, wie er den Text zu lesen und zu verstehen hat?

Toll. Literarische, hübsche, sonnengebräunte Vielfalt. Toll.

Jetzt haben wir praktisch schon alles beieinander, was man braucht, um einen ganz tollen, lesenswerten, spannenden, traurigen, herzergreifenden Roman zu kichbrummeln, der alle Leser aus den weißen Tennissocken hauen wird.

Wem die Leseranerkennung nicht ausreicht, der kann ganz leicht noch einen draufsetzen und seinen Text bachmannpreismäßig aufhübschen, indem er die Figuren kichbrummeln lässt, ohne das Gesagte durch Anführungszeichen zu kennzeichnen.

Da diese Vorgehensweise den Leser natürlich wieder total überfordert, muss man den Figuren die Namen nehmen und sie nur noch als Der Mann, Die Frau, Das Kind, Der Hund usw. bezeichnen und jedem eine nette Neurose mitgeben, die sich natürlich auch in ihrer Sprechweise bemerkbar macht, und eine ganz eigene, außergewöhnliche Art ersinnen, wie man Satzzeichen revolutionieren und Wörter einem ganz neuen Verwendungszweck zuführen kann.

Du dämliche kUh – kicherte Der Mann#

Die Frau verzog angewidert das lilafarbene* im sOnderangebot erstandene gUcci.hAndtäschchen# Lass mich* mein gEhirn zieht sTreifen durch die feuchte fRühlingsdecke – legte Die Frau sich breitarmig aufs bEtt und gewährte dem Mann einen tiefen eInblick in ihr sEelenleben#

Toll. Bachmannpreisig ausgeschmückte, literarische Großartigkeit. Toll.

In diesem Sinne ein schönes Wochenende.

Simone Keil