Was zeichnet ein gutes Kinderbuch aus?

Von Mo Anders

Kolumne_allg_02aBei etwa 8000 Neuerscheinungen, die sich jährlich neben den Bestsellern und Klassikern auf dem Kinderbuchmarkt tummeln, nach welchem Buch soll man als Käufer denn greifen? Orientierungshilfe bieten – neben dem Buchhändler des Vertrauens und den traditionellen Medien – beispielsweise auch Internetseiten wie die Kinderbuch-Couch, buecherkinder.de, KinderundJugendmedien.de, gute-kinderbuecher.de und spezialisierte Buchblogs, wie Kinderohren und Buchkind. Mit der Aufnahme und Empfehlung meines neuen Buches bei gute-kinderbuecher.de möchte ich als Autorin und Mutter von drei Töchtern mal die Frage in den Raum werfen: Was zeichnet ein „gutes Kinderbuch“ aus? Matthias Hartmann, der Journalist hinter gute-kinderbuecher.de, schreibt, dass er aus dem unübersichtlichen Angebot auf dem Kinderbuchmarkt diejenigen Bücher herausfinden will, die Kinder elektrisieren, „denn Bücher sind Freunde, und man kann nie genug gute Freunde haben“.

Mo Kolumne Dämon1Was meint denn Wikipedia zum Begriff Kinderbuch? Der recht übersichtliche Eintrag dort führt bei der Qualitätsdiskussion zu einem Zitat des Verlegers Hans-Joachim Gelberg: „(…) Literatur, die nicht verfälscht, verniedlicht oder verharmlost.“ Das finde ich wirklich hochinteressant, da ich auf der Frankfurter Buchmesse mehrfach in den Gesprächen mit Verlagen gehört habe, dass meine realistischen Aquarell-Illustrationen niedlicher und comichafter sein sollten für ein Kinderbuch. Meine vielen jungen Testleser waren anderer Meinung.

Prof. Dr. Hans-Heino Ewers hält es nicht für sinnvoll, nach einer allumfassenden, in jeder Hinsicht und zu allen Zeiten gültigen Definition zu suchen. In seinem Beitrag auf KinderundJugendmedien.de erfährt man, dass früher die religiösen und kirchlichen Institutionen die Entscheidungshoheit darüber hatten, was Kinder und Jugendliche lesen sollten. Gott sei Dank 😉 sind diese Zeiten vorbei. Ob beliebte Bücher über rothaarige Mädchen, wie die mit dem Äffchen Herrn Nilsson auf der Schulter, oder die mit der Bande, den Segen des Vatikans oder der Evangelischen Kirchen erhalten hätten?

Andreas Nentwich liefert in einer Rezension zu einem Buch von Thomas Lehr 2008 im Feuilleton der F.A.Z. diese Definition: „Ein gutes Kinderbuch, so viel vorweg, ist eines, in dem auch Erwachsene, verzückt, belehrt, ernährt (des Reimes willen; es ist aber auch ein Vergnügen, mit Fettfingern zu lesen und im Bett zu essen), mit heißen Ohren versinken.“ Das klingt gut, doch macht es wieder die Erwachsenen zur obersten Instanz. Diese Auffassung würde erklären, warum es auch preisgekrönte Bücher gibt, denen es nicht so richtig gelingt, Kinder in ihren Bann zu ziehen. Buecherkinder.de, das Informationsportal von Stefanie Leo, hat zur Unterstützung bei Buchbesprechungen eine eigene Kinderredaktion aufgebaut. Auch viele Buchblogger lesen und rezensieren die Bücher gerne gemeinsam mit ihren (Paten-)Kindern, wie Irve liest, kitty411buecherblog, Binchen’s Bücherblog oder Angels Bücherecke.

Mo Kolumne Apsara CSNatürlich habe ich auch überlegt, was mir wichtig ist. Wenn ich meinen Anspruch definieren sollte, dann würde dieser etwa so lauten: Ich will Bücher erschaffen, bei denen die Kinder nach dem Lesen das Gefühl haben, dass sie ihnen etwas gebracht haben, das über das reine Lesevergnügen hinaus geht; Bücher mit denen sie – zumindest ein kleines Bisschen – gewachsen sind.

Soll ich Euch ein Buch verraten, das mich seinen Bann gezogen hat und mit dem ich gewachsen bin? „In 80 Tagen um die Welt“, von Jules Verne. Ich entdeckte das Buch im Bücherregal meiner Eltern in einem Reader’s Digest-Band, und ich verschlang es. Ich fieberte mit Fogg, Aouda und Passepartout im Wettlauf gegen die Zeit. Wer weiß, vielleicht hat mich dieses Buch auch ein bisschen zu meiner Serie Die Reise der blauen Perle inspiriert? Zumindest war mir das auf Hawaii, als plötzlich die Idee für die Länder-Abenteuerserie auftauchte, oder in Kalifornien, als ich mit dem Schreiben begann, noch nicht bewusst. Wie auch immer: Ich hebe das Glas auf Jules Verne und seine Abenteuer und Abenteurer! Und – SPOILERWARNUNG! – er hätte bestimmt eine Erklärung dafür gehabt, warum seinen Protagonisten das Überschreiten der Datumsgrenze nicht spätestens bei der Abfahrt des Dampfschiffes aufgefallen ist.

Was ist für Euch ein „gutes Kinderbuch“? Mit welchem Buch seid Ihr – oder Eure Kinder – gewachsen?

Mo Anders

 

2 Replies to “Was zeichnet ein gutes Kinderbuch aus?”

  1. David Pawn

    Seltsamer Weise war auch mein erstes Erwachsenenbuch, das ich als Kind verschlungen habe, „Eine Reise um die Erde in 80 Tagen“. Ich denke, jedes Buch ist ein gutes Kinderbuch, das ein Kind dazu bringt Playstation, Fernseher usw. zu vergessen und sich auf seine Phantasie zu besinnen. Davon hat man eigentlich als Kind so viel. Dabei ist es fast egal ob der Held eine Ameise („Die grossen Abenteuer des kleinen Ferdinand“) ein bezopftes Mädchen, ein Haus, ein Äffchen und ein Pferd, ein anderes Mädchen, eine Vogelscheuche und ein Holzfäller („Der Zauberer von Oz“ oder auch „Der Zauberer der Smaragdenstadt“/“Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten“), ein kleiner Junge auf einer Insel mit zwei Bergen, oder gar Urmenschen („Der Wettlauf mit dem Mammut“) oder Knirpse („Nimmerklug in Sonnenstadt“) sind.

  2. InEs

    Es sind nicht immer die pädagogisch wertvollen Bücher, welche die Kinder in ihren Bann ziehen, oft sind es Quatscherzählungen (z.B.: Die Olchis von Erhard Dietl). – Als Vorlesepatin bei der Stiftung Lesen, kenne ich einige Klassiker, die von den heutigen Kids heiß geliebt werden. Spontan fallen mir für die jüngsten Leser, „die Geschichten vom Franz“ von Christine Nöstlinger ein, die immer noch allgemein sehr beliebt sind. Lustig und spannend sollen auch die modernen und neuen Bücher sein. –