Von Widersprüchen, Lob und von allem: Robert Odei im Qinterview

Wenn am 7. Oktober unsere neue Anthologie zu Halloween erscheint, ist nicht nur eine Geschichte von ihm dabei, sondern der rote Faden, den er gesponnen hat. Das diesjährige Konzept der Anthologie fußt auf seiner Idee, auch, wenn die Autoren bei ihren Geschichten freie Hand hatten. Im Qinterview antwortet er vor allem selbstironisch und überaus unterhaltsam.
Also hereinspaziert ins Vergnügen, aber ganz sicherlich nicht zur letzten Fahrt mit einem seiner Bücher.

1. Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?

Robert Odei, wer soll das sein? Die Frage höre ich oft. Ohne zu spoilern würde ich sagen: Ich bin eine Art fleischgewordene, annähernd humanoide Comic-Figur, die den ganzen Tag herumläuft und die Leute mit den tollsten Geschichten vollsülzt. Dabei ernte ich eine Menge Lob. Die Leute sagen, „Oh Gott, schreib mal´n Buch, Alter“ oder „Komm, schreib´s auf. Ich les´ es später.“ Den Rat habe ich beherzigt. Bisher habe ich einen Roman und einen Band mit Kurzgeschichten self gepublisht.

2. Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?

Wenn man will, dass es richtig gemacht wird, muss man es selbst tun. Das gilt für Autoren genauso wie für jeden Handwerker. Als anstrebender Autor sollte man sich immer zuerst fragen: Will ich das Buch selbst schreiben oder lasse ich das andere machen? Ich bin einer, der die erste Option wählt, weil er keine Geduld hat, die zweite zu lesen. Als ich irgendwann die Festplatte mit dem fertigen Roman in Händen hielt, schickte ich jedem mir bekannten Horror-Verlag eine Kopie. Meine Leser werden es kaum glauben, aber ich habe nach sechs Jahren noch immer keine einzige Absage bekommen! Allerdings bin ich, wie schon gesagt, ein ungeduldiger Typ, daher habe ich zwischenzeitlich den Roman selbst veröffentlicht. Bei den Kurzgeschichten musste ich dann auch nicht mehr lange überlegen.

3. Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?

Die sind fabelhaft. Ich muss mir keinerlei Gedanken um Einkünfte machen. Ich wüsste auch gar nicht wohin mit den Koffern voller Geld. Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn ich wenigstens die Kosten für das Cover wieder reinholen könnte… aber dann wäre ja die ganze Spannung aus meinem Leben raus. So kann ich wenigstens behaupten, ein brotloser Künstler zu sein. Das ist auch eine unbezahlbare Erfahrung.

4. Was findest du beim Self-Publishing problematisch?

Problematisch finde ich eigentlich nur den enormen Zeitaufwand, der nötig ist, eine halbe Million Wörter zu einem vorzeigbaren Layout zu formatieren. In der gleichen Zeit könnte man gut ein zweites Buch schreiben. Schlimm wird es aber, wenn nach der fünften Korrektur wieder nichts passt, weil irgendwo ein untrennbares Wort den ganzen Blocktext ruiniert. Da kann man schnell die Geduld verlieren und das Büro kurz und klein hauen.

5. Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?

Man sollte definitiv nicht in der Nähe von Feueräxten sitzen. Aber die sind ja in deutschen Büros kaum vorhanden.

6. Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)

Das ist keine Härte. Im Ernst. Ich hatte mal eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung in sieben Sitzungen. Das war die Härte. Als ich mir die Hand gebügelt habe und die Rowling mir die Idee Jahre später geklaut hat, das war die Härte. Schlimmer ist nur noch, wenn ein Verlagslektor dir dein Buch kaputtlektoriert, wenn es trotz Korrektorat vor Fehlern strotzt, wenn der Verlag ein Cover draufklatscht, das häßlicher nicht sein kann oder wenn du pro verkauftem Buch mit ein paar Cent abgespeist wirst.
Nein, dann lieber Self-Publishing.

7. In unserem Regal stehen noch sehr wenig Bücher von dir, wann gibt es etwas Neues?

Sorry, ich weiß es nicht. Auch wenn Millionen von Lesern auf ein neues Buch warten, muss ich leider den George Martin machen und sie warten lassen. Es ist einfach so, dass früher oder später die Gesundheit Lebwohl sagt und einen nackt und schmutzig am Straßenrand liegen lässt. In solchen Fällen ist Erwartungsdruck genau das Gift, das eine Genesung verhindert. Daher schreibe ich erst mal auf Sparflamme weiter. Die gute Nachricht lautet: Ich bin schriftstellerisch noch nicht zum Stillstand gekommen. Demnächst erscheint eine Kurzgeschichte von mir in der jährlichen Halloween-Anthologie von Qindie. Was den nächsten Roman angeht, habe ich entschieden, ihn in drei Teile aufzuteilen. Auf diese Weise wird der erste Teil früher erscheinen können. Wann das genau sein wird, kann ich leider nicht sagen.

8. Im „Traum des Stiers“ geht es neben dem surrealen Horror auch um sehr bodenständige Einsamkeit und das Gefühl, nicht zu passen. Ist das etwas, das dich beschäftigt?

Es ist nicht Einsamkeit an sich, die mich beschäftigt, sondern die Gründe die zu Einsamkeit und Isolation führen. Es ist dieser Widerspruch, der mich fasziniert: Einerseits behauptet jeder gern von sich, er sei ein einzigartiges Individuum; jeder Mensch sei einzigartig und wunderbar. Andererseits, was passiert denn, wenn ein Mensch herausfindet, dass es tatsächlich nur einen einzigen von seiner Sorte gibt? Führt das dazu, dass er sich besser mit anderen versteht? Oder endet er wie die Protagonistin im „Traum des Stiers“, die herausfindet, das sie niemals jemanden treffen wird, der ihr ähnelt? Im Gegensatz dazu: Was würde passieren, wenn es eine Welt gäbe, in der jedem Menschen die Einzigartigkeit ins Gesicht geschrieben stünde? Hätten wir dann Frieden auf Erden?
Aber das ist nur ein kleiner Teil dessen, worum es in dem Buch geht. Für diejenigen, die keine Lust haben es zu lesen, es aber trotzdem wissen wollen(Spoiler-Alarm): Es geht um so ziemlich alles.

9. Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?

Ob meine Testleser die Worte genießen, sei mal dahingestellt : Ohnehin fällt es mir schwer, Testleser zu finden, weil ich kaum Menschen kenne, die meinen Geschmack teilen. Wem kann man schon einen dicken Wälzer in die Hand drücken mit den Worten, „Kannst du mir einen Gefallen tun und das bitte durchlesen? Sag mir, was du davon hältst, aber überflieg es nicht einfach. Du musst aufmerksam bleiben, sonst entgehen dir die Zusammenhänge.“ Die meisten steigen schon bei dem Wort Gefallen aus. Und der Rest fragt, ob die Vampire darin glitzern.
Daher habe ich im Grunde nur einen Testleser im engsten Familienkreis.

10. Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)

Ich habe noch nie einen Fan getroffen. Dazu müsste ich ein Mindestmaß an Bekanntheit erlangen. Meine Ideen beziehe ich eher aus Beobachtung der Menschen um mich herum. Zum Beispiel, wenn ich sie in der U-Bahn anstarre.
Abgesehen davon wäre ich sehr vorsichtig inwieweit ich mir Inspiration von Fans hole. Ich will nicht als Vorlage für den nächsten Roman von Stephen King enden.

11. Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)

Ja, und das muss auch so sein. Alles andere wäre unnatürlich. Ein Autor, der die Handlungen sämtlicher Figuren im Voraus plant und dann haargenau umsetzt, ohne dass Widersprüche auftreten oder die Figuren wie seelenlose Roboter wirken… so ein Autor wäre mir sehr unheimlich. Die Lektüre dieser Bücher würde mir eine ganz neue Art von Gänsehaut bereiten.
Ich habe es schon immer so gehalten: Als Autor beobachte ich die Menschen und versuche, ihrem Verhalten auf den Grund zu gehen. Dabei interessieren mich die Verrückten mehr als die Langweiler. Auf dieser Grundlage baue ich Figuren für meine Geschichten auf. Ihre Handlungen basieren auf ihrem Gemütszustand, aber ich würde nie eine Figur etwas tun lassen, nur weil ich es gerne in der Geschichte sähe.

12. Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?

Ich schreibe, seit ich sechs Jahre alt bin. Mein Alltag hat sich seitdem drastisch verändert. Ich nerve meine Mitmenschen weit mehr als jemals zuvor. Wenn ich ihnen nicht gerade ein Ohr abkaue, weil ich unbedingt eine faszinierende Beobachtung vermitteln möchte, stelle ich pausenlos Fragen. Was intime Vorlieben angeht, kann ich mich gerade noch zurückhalten, aber wenn es Berufe oder besondere Erlebnisse betrifft, sauge ich die Leute förmlich aus, bis sie als trockene Mumie in sich zusammenfallen. Das führt auch oft zu Wutausbrüchen oder panikartiger Flucht der Betroffenen. Besonders Handwerker, Polizisten und Ärzte lieben es, wenn ich ihnen die Grenzen ihres Wissens aufzeige. Verletzt wurde ich dabei aber noch nicht.

13. Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Ähm, schlafen. Aber selbst dann schreibe ich. Im Traum. Ich habe mal eine ganze Kurzgeschichte im Traum geschrieben. Nachzulesen im Kurzgeschichtenband „Gottes Zirkus“.
Zudem entspringen ein paar der besten Kapitel aus „Der Traum des Stiers“ meinen Träumen.

14. Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?

Das ist bei mir genetisch drin. Das ging so: Mit drei Jahren habe ich mir das Lesen beigebracht. Mit sechs habe ich meine erste Geschichte geschrieben, ein absolutes Trash-Meisterwerk. Mit neun habe ich einen Bibliotheksausweis bekommen und herausgefunden, dass noch andere Leute schreiben.

15. Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?

Was ich am Schreiben liebe? Das Gleiche, was ich am Atmen liebe. Oder am Schlafen. Oder am Essen. Wenn man mit einem davon aufhört, stirbt man.
Was ich daran nicht mag? Vielleicht den langen Umweg über die Tastatur. Es wäre praktisch, wenn ich die Gedanken vom Gehirn direkt auf das Papier projizieren könnte. Dann müsste ich nicht wie ein Wahnsinniger auf die Tastatur einhämmern, bevor mir der zurechtgelegte Text aus dem Gedächtnis entflieht. Wenn ich mich recht entsinne, kam in „Tommyknockers“ von Stephen King eine telepathische Schreibmaschine vor. Die hat sogar weitergeschrieben, während man geschlafen hat. Die würde mir sehr weiterhelfen.

16. Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?

Ich schreibe entweder in den frühen Morgenstunden oder spät abends, daher ist das nie ein Problem gewesen. Jetzt mit nachlassender Gesundheit ist es eher andersherum, man fragt mich ständig, wann ich wieder richtig loslege mit dem Schreiben. Ich würde mein Talent vergeuden und so. Insgeheim glaube ich aber, dass die mich nur loswerden wollen.

17. Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)

Ich bin Stephen King- Fan. Ich mag Psychohorror und alles, was irgendwie ungewöhnlich oder bizarr ist. Wenn ein Buch meinen Horizont nicht erweitern kann, langweilt es mich schnell. Im Horror- und Science Fiction- Genre werde ich noch am ehesten fündig. Alle anderen Genres stagnieren in dieser Hinsicht schon seit langer Zeit. Möglicherweise entgeht mir da aber auch was.

18. Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)

Sind Autor und Privatperson zwei verschiedene Persönlichkeiten? Jeder Mensch, der Verbales Denken beherrscht, ist doch im Grunde Autor. Ob er seine Gedanken aufschreibt oder nicht, ist doch zweitrangig. Wichtig ist in dieser Hinsicht nur, ob er gerne Geschichten erzählt.
Aber um die Frage zu beantworten: Ich lese Bücher. Und manchmal überlege ich mir, wie eine bestimmte Szene klingen würde, wenn ich sie auf meine Art geschrieben hätte. Allerdings glaube ich, dass jeder Leser das tut, egal ob er Autor ist oder nicht. Letztendlich ist es doch so: Ich schreibe auf meine Art, andere schreiben auf ihre Art. Wieso sollte ich die Gedanken anderer Autoren auf meine Art ausdrücken wollen?

19. Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?

Auch wenn es meiner oben geschilderten Haltung ein wenig widerspricht, ich hätte nichts dagegen, mal etwas wie „Stephen King´s ES“ zu schreiben. Oder „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert. Aber da reichen meine Fähigkeiten noch lange nicht heran.

20. Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?

Ich mag die einfachen Dinge des Lebens. Jemand hat mal nach der Lektüre des „Traum des Stiers“ geschrieben: Wow, einfach nur wow. Das hat mich sehr gefreut.
Negative Kritik ärgert mich nicht, außer ich merke, dass jemand gezielt den Künstler verletzen will. Davon abgesehen muss ich hin und wieder die Stirn runzeln, wenn jemand ein Buch nicht ansatzweise verstanden hat, aber glaubt es objektiv bewerten zu können. Dafür gab es im Deutschunterricht eine sechs, in Zeiten des Internets jedoch geht das als geschulte Meinung durch. Ein Grund für Ärger sollte das dennoch nicht sein.

 

21. Was wird dein nächstes Projekt?

An meinem aktuellen Projekt beiße ich mir gerade die Zähne aus. Eigentlich sollte schon längst die Vorgeschichte zum „Traum des Stiers“ erschienen sein, aber wie ich schon erwähnt habe, macht mir die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung. Sollte dieses Buch jemals das Licht der Welt erblicken, wird der Leser darin den Werdegang einiger der „bösen“ Charaktere aus dem „Traum des Stiers“ erfahren. Fragen, die im ersten Buch noch offen geblieben sind, werden beantwortet und der Leser wird vor viele neue Mysterien gestellt.
Bis es jedoch so weit ist, werde ich wohl hin und wieder eine Kurzgeschichte zum besten geben, um nicht völlig von der Bildfläche zu verschwinden.

 

22. Wo findet man dich im Internet?

Man findet mich auf der Seite von Qindie. Das ist im Moment alles. Homepage oder Facebook habe ich nicht. Vielleicht ändert sich das in Zukunft.

Vielen Dank.

Gerne

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.