Von Newslettern, Langeweile und Spannung im Kopf: Melanie Meier im Qinterview

Qinterview 3In ihrem Geburtsort pfeifen es wahrscheinlich bald die Domspatzen von den Dächern: »Lest Loki von Schallern!« Aber Melanie Meier hat noch viel mehr in petto. Sie ist verantwortlich für unser Q-Magazin und abwechselnd mit Regina Mengel für den Newsletter. Sie versucht schreibend Neuland zu erobern und meint damit nicht das Internet. Das Bücherregal von Qindie wäre ohne ihre Bücher deutlich ärmer.

1.    Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?
Ich bin ziemlich langweilig und wäre so gern das Gegenteil. Sitze rum, schreibe und schlafe und veröffentliche Romane. Streichle und unterhalte mich mit meinen Katzen Tita von Fischerberg und Bella van Hellring. Abwechselnd mit Regina mache ich für Qindie den Newsletter, außerdem arbeite ich zusammen mit anderen Qindies am Q-Mag (Qindie-Magazin). Spannend wird’s bei mir nur in meinem Kopf.

2.    Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?
Meine Mutter, mein ausgeprägter Größenwahn und meine Trägheit, denn eine Verlagssuche würde Arbeit bedeuten.

3.    Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?
Das sind durchweg positive Erfahrungen. Ich rechne immer mit dem Schlimmsten, darum offenbart sich mir das Leben so rundum positiv. Außerdem bin ich ein Meister der negativen Selbsttäuschung; morgen schon könnte ich unter der Brücke wohnen oder tot sein, da bin ich mir sicher.
Mal ehrlich: Meine Romane sind mit dem Qindie-Siegel ausgezeichnet, ich habe einige wunderbare Kontakte zu anderen Autoren, Bloggern und Lesern knüpfen dürfen: Meine Erfahrungen mit dem Self-Publishing sind also durchweg positiv. (Meine schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht erfüllt, unter der Brücke wohne ich auch noch nicht, vielleicht ja ab morgen dann; ich habe mir schon eine ausgesucht, sehr grauenvoll, da lässt es sich sicher schön wohnen).

4.    Was findest du beim Self-Publishing problematisch?
Problematisch ist, dass ich nicht der einzige Self-Publisher bin. Das wäre so viel einfacher! Wie würde ich aus der Masse der jährlichen Verlagsveröffentlichungen herausstechen! Was würde die elitäre Verlags- und Buchhandelsbranche sich über mich lustig machen können! Ein Fest wäre das! Abgesehen davon sehe ich keine Probleme, weil ich ja mit allem Negativen gerechnet habe und von den positiven Auswüchsen geradezu überwältigt werde.

5.    Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?
Alle anderen Self-Publisher könnten ihre Veröffentlichungen zurückziehen und künftig von denselben Abstand nehmen?

6.    Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)
Ich gehöre zu den Menschen, die unheimlich gern leiden (weil ich so langweilig bin). Aus diesem Grund stürze ich mich in alles, was Leiden schafft. Darum schreibe ich auch. Es gibt nichts Schöneres, als Wochen ohne Essen und ohne Schlaf zu verbringen, sich völlig zu verausgaben, sich das metaphorische Bein auszureißen, sich an den Wahnsinn heranzutasten, nur um einen schlechten Roman zu Papier gebracht zu haben, diesen schlecht zu vermarkten und anschließend schlechte Rezensionen zu erhalten, die einem das Blut aus dem Herz saugen, es in der Brust zu einem kümmerlichen Klumpen austrocken lassen … Dafür lebe ich. Aber auch das geschieht nicht, das ist zu melodramatisch, zu negativ – ich bekomme nur gute Rezensionen (so mein Empfinden), und die Kritiker, die mir dergleichen hätten antun können, sind leider schon verstorben … Auch in dieser Hinsicht offenbart sich mir nur Positives.

7.    Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?
Durch die Bank Masochisten … Nein, jetzt mal ohne Ironie: Ich habe die besten Testleser und die beste Lektorin der Welt! Jeder von ihnen achtet auf anderes, jeder hat einen anderen Schwerpunkt, und darum greife ich immer wieder auf sie zurück. Ohne sie wäre ich aufgeschmissen. Ich glaube, wir respektieren einander, und daraus erwächst Vertrauen, das einen Umgang ohne Heuchelei erlaubt, sodass man mir ruhig sagen kann, wenn ich Sch*** fabriziert habe (die ich trotzdem veröffentliche) – und das ist ja das Wichtigste, oder nicht?!

8.    Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)
Fans? Welche Fans? Tut mir leid, das ist nicht mein Duktus. 😉

9.    Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)
STÄN-DIG. Wenn sie das nicht tun, wird der Roman in die Tonne gekloppt. Ich will ja nicht über mich schreiben, ich will Neues, Fremdes, Unbenutztes, Jungfräuliches. Entwickeln die Figuren kein (vor allem gedankliches) Eigenleben, sodass ich mich des Nachts vor ihnen grusle, dann sind sie nicht gut ausgearbeitet, dann habe ich meine Hausaufgaben nicht gemacht, dann konnte ich mich nicht vollständig hingeben.

10.    Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?
Völlig. Ich lebe sehr zurückgezogen, und das muss so sein, weil das, was in mir heranreift, sehr zart ist und schnell stirbt; ich muss es abschotten, muss mich abschotten, bis es eine gewisse Größe und Kraft erreicht hat (und ich mich grusle). Außerdem ist die Zeit gar nicht mehr da, um sich dem allgemeinen Flanieren, Betäuben und Klamotten-spazieren-Tragen hingeben zu können, ganz zu schweigen davon, dass einem all das irgendwann auch ziemlich absurd erscheint und man gar nicht mehr bzw. nicht mehr so oft daran teilhaben möchte.

11.    Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Dann denke ich über das Schreiben nach. Für manch einen mag es so aussehen, als säße oder läge ich tatenlos herum, als verbrächte ich Stunden damit, Filme und Serien zu gucken (ich bin bekennender Serien-Junkie), in Wahrheit aber kreise ich (metaphorisch gemeint) unablässig um meine Protagonisten, die Storys und das Schreiben an sich. Es gibt nichts anderes mehr in meinem Leben. Das Schreiben hat alles absorbiert, es beansprucht alles für sich.

12.    Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?
Das ist ein Drang, der mich seit jeher erfüllt. Ich glaube, das Medium, das diesem Drang Ausdruck verleiht, ist dabei völlig egal; zufällig habe ich ein Talent fürs Schreiben. Es hätte auch die Musik sein können oder das Malen. Das Leben selbst ist schuld, es möchte der Kunst nacheifern, und darum versuche ich, es (diesen Teufelskreislauf, mich) durch die Kunst zu verstehen, weil ich für alles andere zu dumm bin.

13.    Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?
Ich liebe gar nichts am Schreiben. Meistens ist es mir zuwider. Es treibt mich vor sich her wie einen Hund, hinter dem sein faules Herrchen mit dem Auto herfährt. Ich wäre gern Steuer- oder Verwaltungsfachangestellte, dann wäre ich ein (bayerischer) Jemand. Das Schreiben aber schließt mich aus vielem aus, und das ist nicht immer sehr angenehm. Es macht einsam, und es raubt einem viele wohltuende Illusionen, wie zum Beispiel die, man könnte irgendetwas mit jemandem, der nicht man selbst ist, teilen. Denn kaum eine Erfahrung, die man während des Schreibens hat, kann man mit anderen teilen, und wenn man doch den Fehler begeht und anderen davon erzählt, sieht man an ihren stumpfen Augen, dass sie nicht verstehen. Das Schreiben treibt mich nur unablässig durch Reflexionen und Analysen, unablässig, und das ist mitunter mehr als grauenvoll. Man sucht Schönheit und findet letztlich das Gegenteil (vor allem, sobald einen das Schreiben nach Beendigung eines Romans einfach ausspuckt). Aber ohne das Schreiben bin ich nicht überlebensfähig, und das ist ein unschönes Paradoxon. Ich liebe die Texte anderer, sobald sie Melodie haben. Mein eigenes Schreiben liebe ich nicht, da gibt es nichts zu lieben; es zeigt mir nur sehr deutlich, was niemand gern hört, nämlich dass ich sonst nichts kann, nur eine Mikrobe in einem Multiversum und allein und endlich bin.

14.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?
Eine ›bessere Hälfte‹ existiert nicht (was ist das?). Meine Familie besteht aus Künstlern (Vater Komponist, Mutter Malerin und Schriftstellerin, Schwester Grafikerin und Malerin, Bruder (Techno-)Musiker), darum gab es in dieser Hinsicht nie Reibungspunkte. Im Gegenteil, wir geben uns gegenseitig Rückendeckung und arbeiten eng zusammen, momentan beispielsweise an einer Musical-Oper.

15.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)
Ich lese alles, was etwas Gutes in sich trägt. Kunst ist vielseitig, und sie zeigt sich vielseitig. Von der bloßen Unterhaltungsliteratur bis hin zu den Büchern, deren Sätze ich mitunter mehrfach lesen muss, um sie zu verstehen (die meisten also^^; dabei leidet man ganz wunderbar), ist alles dabei. Ich will nichts verpassen und aus allem lernen. Am liebsten lese ich Romane wie ›Das Bildnis des Dorian Gray‹ (Oscar Wilde) oder ›Vielen Dank für das Leben‹ (Sibylle Berg) oder die von Carlos Ruiz Zafón, weil sie rundum gut sind und sämtliche Aspekte des menschlichen Daseins aufgreifen und verwursten. Und weil sie von Menschen geschrieben wurden, die klüger sind als ich oder eine andere, interessante Wahrnehmung haben oder mich und meine Meinung bestätigen, damit ich kein Individuum mehr sein muss, sondern endlich irgendwo dazugehöre. Wenn sich spüren lässt, dass da jemand in irgendeiner Weise transzendieren wollte, bin ich unheimlich angetan.

16.    Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)
Darin besteht für mich kein Unterschied. Der Autor hat die Privatperson aufgefressen.

17.    Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?
Die Bibel natürlich, das ist immer noch das Buch, das sich weltweit am besten verkauft. Ein starker Fantasy-Schinken!

18.    Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?
Mich freut es am meisten, wenn mir gesagt wird, man müsse beim Lesen meiner ›Auswürfe‹ wirklich viel Konzentration aufbringen. Das wird mir in Bezug auf die Loki von Schallern-Serie immer wieder gesagt, mitunter zieht man mir deshalb einen Stern in der Bewertung ab, obwohl es ansonsten gefallen hat. Das ist ein großes Kompliment, das freut mich ungemein, zwingt es die Aufmerksamkeit des Lesers doch ganz in meine Gedankengänge. Ich stelle mir dann vor, da kröche gerade jemand in meinen Kopf, und das hat was. Da komme ich mir dann so wichtig vor; eine der leidvollsten Illusionen!

19.    Was wird dein nächstes Projekt?
Momentan arbeite ich an einer Erzählung in der Ich-Perspektive, die richtig weh tut, die bereitet mir Schmerzen, da werde ich zu jemandem, den ich verabscheue, um seine Gedanken wiedergeben zu können. Darum bin ich momentan äußerst unausstehlich (und zynisch, weil er zynisch ist). Außerdem steht die 3. Staffel der Loki von Schallern-eBook-Serie an, die baut sich derzeit in mir auf.

20.    Wo findet man dich im Internet?
Hier: https://melanie-petra.jimdo.com/, hier: https://loki-von-schallern.jimdo.com/, hier: www.amazon.de/Melanie-Meier/e/B008GSE89C, hier: https://www.facebook.com/mmelaniemeier und hier: https://www.neobooks.com/user/melaniem

Vielen Dank für deine spannenden Antworten, Melanie.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.