Von Inquisitoren, Seniorentrainern und Recherchereisen – Wir bitten zum Qinterview: Manuela Tengler

QinterviewMan kann nur rätseln, ob die Stadt Wien so langweilig oder so inspirierend ist, dass sie so viele AutorInnen hervorbringt. Nachdem wir das letzte Jahr mit dem Qinterview einer Wienerin abgeschlossen haben, starten wir in diesem Jahr mit dem einer Wienerin.
Ihr habt Manuela Tengler ausgewählt, die Fragen zu beantworten und das hat sie sehr ausführlich und mit Freude getan.

1.    Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?
Ich bin ein Mensch voller Herz und Engagement,  genauso auf der Suche nach der wahren Liebe und Freiheit wie meine Romanfiguren. Ich hasse Grenzen und auferlegte Gebote, die mich in meiner Kreativität und Entscheidungsfreiheit beeinflussen. Das Self-Publishing bietet eine Fülle an Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Meine e-books und Taschenbücher sind auf Amazon zu finden, die e-books auch bei Smashwords oder XinXii und damit auf zusätzlichen verschiedenen Vertriebskanälen. Ich bin in Social-Media-Foren aktiv und nütze auch Tipps von KollegInnen, aber meine to-do-Liste ist noch lang. Das liegt daran, dass ich mich in absehbarer Zeit als Schriftdolmetscherin selbständig mache und aktuell noch in Ausbildung bin. Das kostet Zeit, die mir vor allem als Schreibzeit und für das Marketing fehlt. Zum Glück habe ich treue Blog-LeserInnen, die meinem Autorenblog auch dann folgen, wenn ich unregelmäßig neue Beiträge poste.

Vor einigen Jahren war ich eine sogenannte „veröffentlichte Autorin“. Mein historischer Roman erschien unter dem Pseudonym Alessandra Bernardi als Hardcover beim Europa Verlag, später Neuer Europa Verlag. Leider gibt es den Verlag heute nicht mehr, aber er brachte mir – neben positiver wie negativer – unbezahlbarer Debütautoren-Erfahrung eine Taschenbuch-Lizenz mit dem Weltbildverlag. Ich konnte an den Erfolg leider nach dem Agenturwechsel nicht anschließen, weil mich privat mehrere Schicksalsschläge aus dem Rennen warfen. Es dauerte lange, bis ich mich wieder hochgerafft hatte, privat wie beruflich. So ist mein Dasein als Indie-Autorin heute ein deutliches Lebenszeichen, denn das Schreiben war schon immer ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Es fehlte mir; trotz einiger Absagen und quälerischer Selbstzweifel gelang es mir nicht, mich davon zu lösen. Mehr denn je sage ich heute offen und ehrlich, ich bin Autorin durch und durch, glaube an meine Schreibe und das schließt neue Agenturkontakte in nächster Zukunft neben dem Qindie/Indie-Dasein nicht aus.

2.    Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?
Ich bin überzeugt, dass ich in einem meiner früheren Leben ein Pirat war! Dieser unbändige Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit, Geschichten auf den Markt zu bringen, die mir auf der Seele liegen, war letztlich auch ausschlaggebend dafür, warum ich den Weg als Indie-Autorin eingeschlagen habe. Mich von der Entscheidungsgewalt großer Publikumsverlage zu befreien. Es mag vielleicht das x-te Buch zum Thema x sein, aber es ist eine neu erzählte Geschichte über junge Frauen, die ihren Platz im Leben finden müssen und sich über die Konventionen oft hinwegsetzen müssen, um zu ihrem Recht zu gelangen. Ein großes Dankeschön gilt dabei meinen Autorenkolleginnen Susanne Gerdom für die Unterstützung und Annemarie Nikolaus, die mich hartnäckig immer wieder getreten hat, mich als Indie-Autorin aus dem Schneckenhaus zu wagen.

3.    Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?
Ein paar Handgriffe scheinbar reichen aus, um aus einem Manuskript ein e-book zu erstellen und davon bin ich nach wie vor sehr fasziniert. Mein eigenes Cover zu entwerfen, für das gesamte Layout, das Buch verantwortlich zu sein – es bedeutet auch eine große Verantwortung, denn mitnichten möchte ich meine LeserInnen verärgern oder Unwahrheiten verbreiten. Meine Geschichten liegen mir am Herzen, dafür kämpfe ich. Das beste Beispiel ist mein aktuelles Jugendbuch „Freisprung“, das eine Liebesgeschichte rund um Borderline als Thema nimmt. Mark, mein Protagonist, fand bei Testlesern nicht oft Sympathie, er polarisierte ganz heftig, dennoch bin ich überzeugt, dass die Story ihre Liebhaber finden wird. „Freisprung“ ist allerdings auch ein Buch, das ich kaum Verlagen angeboten habe. Es ist mein ganz besonders Ding, das ich wohl nicht durch tausend Hände gehen lassen wollte.

Ich bin erst seit einem knappen halben Jahr im Self-Publishing aktiv und habe das Glück, auf die vielfältige Erfahrung meiner KollegInnen zu profitieren. Dieses Netz ist wichtig für mich, aber letztendlich spüre ich noch immer den Pionier in mir. Die Abenteuerlust, die Experimentierfreude …

4.    Was findest du beim Self-Publishing problematisch?
In manchen bekannten Foren, in denen Leserunden u.ä. angeboten werden, wurde ich trotz meiner Veröffentlichung bei bekannten Verlagen für die Vorstellung meiner Indie-Bücher abgelehnt mit der Begründung, es wäre veröffentlichten AutorInnen in angesehenen Verlagen gegenüber nicht fair,  deren Werke viele Menschen in Verlagen, Lektoraten, Agenturen etc. erst überzeugen mussten. Der Subtext ging also in Richtung unprofessionelles Lektorat und fehlendes Schreib-Knowhow. Punkte, die man mir im Vorhinein als Indie-Autorin wohl nicht zutraute, worüber ich mich auch heute noch sehr ärgere. Ich schrieb zurück, dass man nicht jedem Indie-Autor gleichzeitig Qualität absprechen könne. Leider hielt man es nicht für nötig, mir auf meinen berechtigten Einwand zu antworten. Also muss trotz Qindies großartiger Aktivität noch viel passieren, dass ein Indie-Buch den Makel von mangelndem Lektorat, Fachwissen und Co verliert und auch wir AutorInnen brauchen noch viel PR in Sachen „Auch ein Indie-Buch ist lesenswert!“.

5.    Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?
Ein vieldiskutiertes Problem, für das ich leider auch keine Lösung bieten kann. Mir bleibt die Hoffnung, dass noch mehr Verlage, Bücherforen und Co erkennen, dass es bei vielen Indie-AutorInnen definitiv nicht an mangelnder Qualität liegt, warum sie sich für diesen Weg der Veröffentlichung entscheiden, sondern oftmals daran, dass man keine Lust hat, sich um Reihenplätze als Mangelware zu streiten oder für einen minimalen Vorschuss abspeisen lässt.

6.    Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)
Damit ich meinen LeserInnen auf keinen Fall diese schönen Geschichten vorenthalten muss, wäre die pragmatische Antwort, aber das trifft den Kern der Sache nicht ganz. Ich nütze ganz bewusst die Freiheit, unabhängig von angeblichen Käufertrends zu veröffentlichen  – sei es in Hinblick auf die Epoche, einen Helden, obwohl sonst nur eine Frau dafür stark genug wäre oder Orte, die entweder bereits übersättigt wären oder nicht publikumswirksam genug.

7.    Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?
Früher hatte ich viele Testleser, auf deren Feedback ich großen Wert gelegt habe. Seit meinem Re-Start bin ich selbst mein kritischer Leser, was logischerweise auch Nachteile birgt. Meine Testleser rekrutierten sich größtenteils aus dem Autorenlager, was mir wirklich ungehemmtes Feedback versprach und eine optimale Ergänzung, da jeder seine speziellen Macken hatte. Testleser A hatte den ungetrübten Blick auf die Charakterisierung, Testleser B ein Händchen für Dramaturgie und Spannung. Eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte.

8.    Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)
Zu einer neuen Buchidee nicht, aber Begegnungen dieser Art motivieren mich sehr. Leuchtende Augen zu sehen, die mein Buch ausgelöst haben, ist so wunderschön, dass ich dieses Gefühl gern in Döschen verpackt aufheben möchte, um in selbstkritischen Phasen davon was abzuhaben.

9.    Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)
Das tun sie regelmäßig, mal mehr oder weniger. Doch in den meisten Fällen ist es tatsächlich so, dass meine Figuren spätestens ab dem dritten oder vierten Kapitel andere Entscheidungen treffen möchten als die Autorin. Faszinierend ist es für mich, wenn auch vermeintliche Bösewichte wie zum Beispiel der Inquisitor Alessandro aus „Die Schreiberin des Dogen“ nicht nur mich in den Bann ziehen, sondern mir auch LeserInnen berichten, wie anziehend er doch gewesen war. Gerade für dieses Buch ist auch eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen. :

10.    Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?
Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten, da ich seit vielen Jahren schreibe und stundenlang am PC sitze. Von daher könnte ich jetzt nicht sagen, was sich verändert hat. Vielleicht ein Punkt, den ich in den letzten Jahre noch stärker entwickelt habe: das Reisen an mögliche oder aktuelle Romanschauplätze. Gerade auf Reisen fühle ich mich meinen Geschichten, aber auch den Figuren so nahe, dass ich förmlich hineingesogen werde. Ob das im Dogenpalast in Venedig war, der Kuppel von Florenz oder dem Marktplatz in Meißen – wenn Sie eine verträumt um sich blickende Frau sehen, bewaffnet mit Digitalkamera, Block und Laptop – das bin ich.

11.    Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Ganz ehrlich: Dann versuche ich das zwischenzeitlich entstandene Chaos in meiner Wohnung in den Griff zu bekommen. In aktiven Schreibphasen finde ich nichts schlimmer, als mich vom PC lösen zu müssen, um den Einkauf zu erledigen oder die Waschmaschine auszuräumen. Es gibt aber auch Phasen, wo ich für ein paar Minuten aufstehe und den Drang habe, mich zu bewegen. Das ist mittlerweile zu einem Ritual geworden, denn das tue ich oft, wenn ich eine neue Idee mitten im Buch habe und weiß, mir geht nichts an Ideen verloren, wenn ich mich für ein paar Meter von der Tastatur entferne.

12.    Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?
Ich bin von klein auf eine große Leseratte gewesen und das hat mich wohl auch geprägt. Schon im Alter von ungefähr 14 Jahren hatte ich mein erstes Drehbuch (über meinen Hamster!) geschrieben und eine kinderzimmereigene Bibliothek gegründet, die ich für meine FreundInnen zu bestimmten Tagen und Zeiten mit einem eigenen Ausweis „geöffnet“ habe. Anfangs habe ich viel Tagebuch geschrieben, aber auch Gedichte und Songtexte, kleinere Geschichten. In der Handelsschule waren es dann schon längere Schularbeiten und spätestens ab der Geburt meiner ersten Tochter wusste ich nach den ersten Ideen für Bilderbücher, das ist meins.

13.    Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?
Die Buchstaben müssen raus. Bei neuen Projekten habe ich bereits den Anfang im Kopf und da drängt es mich, die ersten Seiten unkorrigiert aus dem Kopf zu kriegen. Das Eintauchen in fremde Welten, Schicksale, die meine LeserInnen berühren. Früher mochte ich das Überarbeiten nicht, heute ist es eines meiner größten Laster geworden. Ich finde nur schwer ein Ende, den Punkt zu sagen, und jetzt ist es gut. Jetzt kann das Manuskript hinaus, unter kritische Augen sozusagen. Leider ist es nun so, dass ich auch bei vollendeten, bereits veröffentlichten Büchern, nicht sagen könnte, ich fände nicht wieder was für eine Überarbeitung. Also Ende nie!

14.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?
Meine Familie betrachtet mein Schreiben bis heute wohl leider noch immer als Hobby. Die Mädels hatten bzw. haben meine Bücher im Schrank stehen, aber das war`s. Von daher ist mir ehrliche und offene Rückmeldung aus dem Autorenkreis und FreundInnen lieber, und auch wichtiger. Ich muss der Familie meines Ex-Mannes nicht mehr beweisen, dass ich Autorin bin und mein Schreiben vielleicht (noch?) keine Bestsellerhonorare bringt, aber für mich nie nur ein Hobby war. Diese Aussage fand ich schon immer herablassend und sehr demütigend. Es ist der schlimmste Satz, mit dem man die Träume von Menschen, die gern ein Buch schreiben möchten oder gerade dabei sind, zerstören kann. Gedankenlos. Drum halten Sie daran fest und schreiben Sie, denn es hat seinen guten Grund, warum Sie das tun bzw. tun möchten!

15.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)
Für das eigene Lesen bleibt immer weniger Zeit, obwohl es mir gut täte, öfter abzuschalten. Meine historischen LieblingsautorInnen sind oft auch KollegInnen wie Sabine Wassermann, Micaela Jary oder Corina Bomann, Liv Winterberg. Bei Fantasy liebe ich die Arkadien-Reihe von Kai Meyer oder Glenraven, den Klassiker von Zeitreisegeschichten. Oder V.C. Andrews mit Blumen der Nacht und den Folgebänden. Eine Reihe, die verstörerisch gut war!

16.    Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)
Ertappt! Ich kann kaum noch „privat“ lesen. Das gelingt mir eher bei den vorhin angeführten KollegInnen, bei anderen grüble ich öfters, was dem Lesefluss eher schadet als fördert.

17.    Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?
Von den Verkaufszahlen her eindeutig Harry Potter oder die Tribute von Panem. Allerdings habe ich meine Zweifel, ob ich solchen Hype dann auch ertragen könnte und dem Druck, einen entsprechenden Folgeband abzuliefern, standhalten möchte.

18.    Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?
Kürzlich wurde zu „Nebel über dem Canal Grande“ geschrieben „… zart wie Murano-Glas …“. Diese Kritik fand ich bezaubernd. Ich sollte Kritiken nicht lesen, da ich mir zwar Feedback zu Herzen nehme, aber es mich insbesondere von LeserInnen auch persönlich trifft. Eine scheinbar hingerotzte Kritik, womöglich schon aus berechtigtem Anlass, aber die Worte sind dann schnöde und es wird, bei jeder negativen Kritik übrigens, oft vergessen, wie viel Arbeit und Hingabe in jedem Buch stecken. Kein Autor, der aus Herzblut schreibt, übersieht gern einen Fehler oder tatsächlich mal ein Plotloch. Es tut dann einfach weh, ganz ehrlich.

19.    Was wird dein nächstes Projekt?
Ich bin noch unschlüssig, was ich als Nächstes veröffentliche, da meine Liste so lang ist und viele Projekte halb fertig. Fix scheint ein Fantasyroman, der in die Welt der Drachen entführt, und historisch bin ich zweigeteilt, auch hinsichtlich meiner neuen Agenturkontakte. Am besten, man verfolgt mich via Social Media, um auf dem Laufenden zu bleiben.

20.    Wo findet man dich im Internet?

Autorenblog
Seniorenfit Trainer

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Twitter: @ManuTengler
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Website   (spätestens im Februar 2014 online). Da das jedoch meine erste Homepage ist, bitte ich von großen Erwartungen abzusehen  – ich werde regelmäßig daran weiterfeilen.

Ich bedanke mich, Qindie-Interviewpartnerin des Monats zu sein und für die Aufmerksamkeit, die meinen Büchern zu teil werden.

Wir bedanken uns bei dir, Manuela und wünschen nicht nur dir, sondern allen ein frohes neues Jahr und ein erfolgreiches Jahr 2014

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.

One Reply to “Von Inquisitoren, Seniorentrainern und Recherchereisen – Wir bitten zum Qinterview: Manuela Tengler”

  1. gisela wechselberger

    Ich kenne ihre romane nicht, jedoch hatte ich das vergnügen diese antworten zu lesen. Alleine dies zeigt mir eine sympathische autorin, die nicht nur romane schreiben kann, sondern auch gekonnt antworten kann. Ich sehe für sie im jahr 2014 eine grosse herausforderung mit viel potential bei der erfüllung ihres wunsches nach anerkennung. Sie werden sich einen grossen schritt vorwärts bewegen. Alles gute für dieses erfolgreiche jahr.