Von Gottesdiensten, Ludern und der Katze im Sack: Weihnachten bei Marny Leifers

Rockbands kennen das Hin und Her unserer Etappen von ihren Tourneen, wenn sie heute in Hamburg spielen, morgen in München und übermorgen in Bremen. Für unsere nächste Einladung fahren wir nach Wolfsburg, beachten die große Automobilfabrik nicht, sondern klingeln direkt bei Marny Leifers.

1. Wo bist du aufgewachsen und wie habt ihr dort Weihnachten gefeiert?

Ich bin in Wolfsburg aufgewachsen, wo ich auch heute noch lebe. Wir haben mit im Haus meiner Oma mütterlicherseits gewohnt, es waren also drei Generationen unter einem Dach versammelt. Das war oft anstrengend, aber ich fand es auch immer schön, Weihnachten mit meiner Oma verbringen zu können.

Heiligabend ist meine Oma immer mit mir und meinem Bruder in die Kirche gegangen, während meine Mama alles vorbereitet hat. Das Schönste am Gottesdienst war für mich das Singen von Liedern wie „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ und „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Und ich mochte die Atmosphäre. Wieder daheim mussten wir dann in unseren Zimmern warten, bis Glöckchenklingeln ertönte – das war das Zeichen dafür, dass das Christkind da gewesen war. Die Stubentür wurde geöffnet, es erklang Musik (oft das Album „Stille Nacht / Heilige Nacht“ vom Orchester Anthony Ventura) und wir sahen zum ersten Mal den Weihnachtsbaum mit den Geschenken darunter. In einem Jahr war der Weihnachtsbaum mit silbernen Kugeln und roten Schleifen daran geschmückt, im nächsten mit bunten Kugeln ohne Schleifen.

Manchmal kam auch der Weihnachtsmann vorbei, dann wurden natürlich Gedichte aufgesagt. Und ich kann mich gut daran erinnern, dass er sich in einem Jahr beim Aufbruch über den so schwer gewordenen Sack gewundert hatte: Unser Kater wollte wohl ein Weihnachtskätzchen werden und hat sich hinein geschlichen …

2. Gab es Rituale für den Heiligabend und den ersten und zweiten Weihnachtstag?

Heiligabend wurde zuerst gegessen, danach haben wir uns zusammengesetzt und Weihnachtslieder gesungen. Gefühlt jedes Jahr hat meine Oma auch eine ganz eigene Version von „Am Weihnachtsbaume“ vorgetragen, die so begann: Am Weihnachtsbaume da hängt ne Pflaume, wer hat sie denn da hingehängt, das war mein Bruder, das dumme Luder …
Danach war dann Bescherung, und natürlich haben unsere Tiere auch ein Weihnachtsgeschenk bekommen – meist war das ein Würstchen. Besonders die Katzen hatten aber auch Spaß daran, unsere Geschenke mit auszupacken. Und der Weihnachtsbaum war vor ihnen natürlich auch nicht sicher! Nach der Bescherung haben wir uns mit unseren Geschenken beschäftigt, zwischenzeitlich hat sich mein Bruder auch mal mit einem Geschenk in sein Zimmer abgesetzt, aber am Ende waren wir wieder alle beim Weihnachtsbaum versammelt. Am ersten und zweiten Weihnachtstag haben wir dann Gesellschaftsspiele gespielt und viel gelacht, auch weil meine Oma gerne mal neue Regeln erfunden hat.

3. Was habt ihr gegessen? Hast du ein Rezept für uns?

Heiligabend gab es zwei Salate (Nudelsalat, Käsesalat, Eiersalat, Thunfischsalat) und dazu aufgebackenes Baguette. Manchmal auch noch Toast Hawaii. In den Nudelsalat kamen neben Nudeln je eine rote und grüne Paprika, 250 g Fleischwurst, 1 Dose Mandarinen ohne Saft und eine Zwiebel. Und für das Dressing: 125 ml Öl, Saft einer Zitrone, 1 TL Senf, 1 TL Salz, 2-3 EL Zucker, 1 gute Prise Cayenne-Pfeffer und 1 Eigelb.

4. Welche Rolle spielten Geschichten oder die Weihnachtsgeschichte?

In der Adventszeit war für mich „Unser neues Weihnachtsbuch“ lange ein wichtiges Buch, das wie ein Adventskalender war. Jeden Tag bis Heiligabend gab es Lieder, Gedichte und kleine Geschichten. Die Weihnachtsgeschichte hat bei uns nicht so die große Rolle gespielt, dafür aber Märchen. Ich mochte die von Hans Christian Andersen schon immer lieber als die von den Gebrüdern Grimm, daher habe ich von meiner Patentante zu einem Weihnachtsfest auch ein Märchenbuch geschenkt bekommen, in dem nur Märchen von Hans Christian Andersen waren. Bis heute sind „Die wilden Schwäne“ mein Lieblingsmärchen, und auch „Die Schneekönigin“ mag ich sehr. Zu Weihnachten gehören für mich aber auch unbedingt „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren und „Momo“ von Michael Ende.

5. Welche Rituale hast du in dein Erwachsenenleben übernommen?

Keins der Rituale, aber viel von der Stimmung. Auch wenn sich mein Glaube verändert hat, so ist Weihnachten für mich doch immer noch ein Fest der Liebe und der Familie – wobei gute Freunde für mich auch wie eine selbst gewählte Familie sind. Es ist eine Zeit, die für mich auch als Erwachsene immer noch magisch ist. Anders, aber voller Liebe, Hoffnung und Licht. Und ich singe ein wenig mehr als den Rest des Jahres. Mit in mein Erwachsenenleben habe ich jedoch etwas alten Weihnachtsbaumschmuck genommen: Nicht nur alte Kugeln, sondern auch Schneeflocken, Eiszapfen und Sterne, die für mich immer einen ganz besonderen Zauber hatten.

6. Welche Bücher verschenkst du zu Weihnachten?

Ich verschenke gerne Anthologien und Bücher, die mir selbst gut gefallen haben und von denen ich denke, dass sie zum Beschenkten passen. Mir unbekannte Bücher werden aber auch verschenkt, ich muss einfach das Gefühl haben, dass es „passt“. In diesem Jahr verschenke ich 8 Bücher, darunter mein Lieblingsbuch von Florian Tietgen, ein Buch einer englischen Autorin über zwei ungleiche Frauen und ihre Freundschaft, eine Kurzgeschichtensammlung, ausländische Fantasy und Gedichtbände. Da ich nicht weiß, wer hier so alles mitliest, nenne ich die meisten Namen nicht.

Liebe Marny, wir wünschen dir ein wundervolles Weihnachtsfest.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.

One Reply to “Von Gottesdiensten, Ludern und der Katze im Sack: Weihnachten bei Marny Leifers”