Klappe, die Vierte – Halloween-Special (muhahahaha) [Kolumne: Der Anfang vom Ende?]

Der Anfang vom Ende KolumneVon Maria M Lacroix

Der Schrecken, der weitere achtundzwanzig Jahre kein Ende nehmen sollte – wenn er überhaupt je ein Ende nahm –, begann, soviel ich weiß und sagen kann, mit einem Boot aus Zeitungspapier, das einen vom Regen überfluteten Rinnstein entlangtrieb .

Passend zu Halloween, haben wir es hier mit einem der allseits gefürchteten Monstersätze zu tun. Er entstammt dem King of Grusel, Meister des Horrors und Genie des Thrills, daher drücke ich hier mal ein Auge aus … äh, zu. Das hervorgerufene Bild ist traurig, grau und beklemmend.

Ich vergebe fünf von fünf schlurfenden, sabbernden Zombies.

Aus: Es von Stephen King

 

Nun zu den Qindies …

Ich habe einen Filmriss. Es muss gestern Abend wieder hoch her gegangen sein, wenn ich davon ausgehe, an wie wenig ich mich noch erinnern kann und wie ich mich fühle. 

Vorweg: Hierbei handelt es sich um die ersten Sätze der ersten Geschichte einer Anthologie mit einem niedlichen Hund auf dem Cover. Gruselig? Immerhin haben wir schon einen zerrissenen Film im ersten Satz (zerrissene Gliedmaße würden mehr zum heutigen Special passen, aber der Autor hat sich für einen subtileren Spannungsaufbau entschieden.) Und es ist ihm – wie ich finde – gelungen. Was hat es mit dieser ersten Szene auf sich? Guter Beginn.

Vier von fünf schlurfenden, sabbernden Zombies.

Aus: Werwölfe und andere Sorgen von David Pawn

 

Der unsichtbare Reif um meinen Hals zieht sich zu. Über mir schimmern Sonnenstrahlen durch die Wasseroberfläche, sie zaubern ein schillerndes Licht, das jedoch nicht bis zu mir hinab zu dringen scheint. Ich schwebe in graugrünen Tiefen.

Präsens … eine in die Mode kommende Erzählform, wie es scheint. Wer sich schon einmal auf dem offenen Meer oder in einer anderen Situation befunden hat, in der man von Wassermassen verschlungen wird und nicht mehr atmen kann, dem läuft es bei dem Beginn eiskalt den Rücken herunter. Als ich bei dem Wort „Tiefen“ angekommen bin, musste ich erst einmal tief durchatmen. Schaurig schön!

Vier von fünf schlurfenden, sabbernden Zombies.

Aus:  Sauerstoffreservierungsgebühr von Regina Mengel

 

Einen solchen Tod hatte Pfarrer Deschner nicht verdient. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Florian musste kein Arzt sein, um das zu erkennen. Die Gesichtsfarbe des Geistlichen wechselte von beunruhigendem Blau zu einem schrecklich endgültigen Grau.

Ein (offenbar) langsam verendender Pfarrer. Da Geistliche in Geschichten oft als Antagonisten herhalten müssen, hält sich das Mitleid zunächst noch in Grenzen. Hat er den grausamen Tod womöglich verdient? Was ist vorgefallen? Positiv: Im ersten Satz kommt schon der Tod vor. Da lacht das horrorliebende Herz. Allerdings wollte mich der Beginn nicht so recht packen. Irgendwie glitt er von mir ab, wie faulende Finger. Ob es an den kurzen, aneinander gereihten Sätzen lag?

Ich kann es nicht so recht benennen und vergebe vier von fünf schlurfenden, aber nicht sabbernden Zombies.

Aus: Route 666: Höllische Geschichten von Martina Bauer

 

„So ein verdammter Mist!“ Famke schlug wütend auf das Lenkrad, obwohl ihr das sicherlich auch nicht weiterhelfen würde.

Einen Anfang mit wörtlicher Rede zu beginnen, halte ich immer für schwierig. Man kennt die betreffende Person noch nicht und hat keine Ahnung, weshalb sie einen (in diesem Fall) erbosten Schrei ausruft. „Famke“ ist mir als ungewöhnlicher Name aufgefallen. Hier fällt mir eine Bewertung nun relativ schwer. Ich persönlich würde wohl nicht weiterlesen. Ich habe mich sehr an dem Wort „sicherlich“ aufgehängt (trotz Halloween natürlich nicht buchstäblich, sonst könnte ich ja nicht weiterschreiben), weil es mich bezüglich der Perspektive irritiert hat. Wenn mir die Perspektive nicht klar ist, habe ich Schwierigkeiten in die Geschichte zu finden. Durch das Wort „sicherlich“ wird herausgezoomt, da aber aus Famkes Sicht erzählt wird, müsste ihr klar sein, dass das Schlagen auf das Lenkrad keinen Sinn ergibt.

Drei von fünf schlurfenden, sabbernden Zombies.

Aus: Seelenchronik – 1. Verlorene Seele von Patricia Jankowski

 

Cassandra Moon war achtzehn Jahre alt, als sie den größten Fehler ihres Lebens beging. Dieser leidvolle Tag hatte, wie die meisten Tage im Leben einer Schülerin, damit begonnen, dass Cassandra ihrem viel zu lauten Wecker mit schlaffer Hand eins auf den Deckel gegeben hatte, bevor sich sein Piepsen zu tief in die wohlige Schicht ihrer Träume bohren konnte.

Den ersten Satz fand ich klasse. Der zweite ist mir etwas zu verschachtelt und zu lang. Ihn in zwei Sätze aufzudröseln wäre meiner Meinung nach eventuell besser gewesen. Dennoch gefällt mir der Beginn, er macht Lust auf mehr und lässt eine spannende Geschichte vermuten. Mich hat der Beginn überzeugt und ich würde weiterlesen.

Vier von fünf schlurfenden, sabbernden Zombies.    

Aus: Der Traum des Stiers von Robert Odei

 

Schlussbemerkung:

In dieser Kolumne geht es darum, die Sogwirkung der ersten Sätze zu untersuchen. Was für ein Gefühl vermittelt der Beginn, weckt er Interesse, hat man Lust weiterzulesen? Es geht nicht darum, etwaige Rechtschreib- oder Grammatikfehler herauszufiltern oder zu analysieren.

Maria M Lacroix